Experience
Medizintechnik: China – vom Imitator zum Innovator
Für die virtuelle MEDICA/COMPAMED im November haben wir einen spannenden Paneltalk mit Healtcare Drinks organisiert – einer Networking Gruppe, die Events auf der ganzen Welt veranstaltet und ihren Fokus auf die chinesische Gesundheitsbranche legt. Mit dabei waren, neben unserem CEO Markus Wild: Vorstandsvorsitzender der Medela AG Michael Larsson, COO Glendy Wang von MicroPort, Geschäftsführer Min Fang von Warburg Pincus, Head of Regulatory bei PerkinElmer Nancy Meng und Moderator des Paneltalks und Geschäftsführer von HTDK, William Jin.
Das Ergebnis: ein spannender Austausch und die Diskussion von Themen und Trends in der Gesundheitsbranche aus europäischer und chinesischer Sicht. Anlass genug, diese hier zu reflektieren.
China erholt sich schneller
2020 war ein Jahr mit vielen Veränderungen und Herausforderungen – auch und gerade in der Gesundheitsbranche. Des einen wirtschaftlicher Erfolg, des anderen Leid: Während innovative Produkte, Impfstoffe, Masken, Beatmungs- und Laborgeräte gefragter waren als je zuvor gerieten andere Bereiche der Medizin in den Hintergrund. Dazu gehörten zum Beispiel Orthopädie, kardiologische Eingriffe, und elektive Operationen generell – inklusive des Bedarfs an Ressourcen und Lieferketten, der dahintersteht.
Während nun in China schon wieder Feiern, persönliche Meetings und ein weitgehend normaler Alltag möglich sind, steigen die Zahlen in Europa weiter und es wird immer noch viel auf Online-Kommunikation und -Handel gesetzt. In diesem Zusammenhang sind auch die Prognosen unseres CEO Markus Wild aus den ersten Tagen der COVID-19 Pandemie interessant zu lesen.
Ähnlich ist die Situation der Märkte: Medizintechnik-Unternehmen setzen zunehmend auf Projekte in China, weil sich die Märkte dort schneller erholen. Im Bereich der Neuzulassungen von Medizinprodukten sind vor allem medizinische Beatmungsprodukte an der Spitze. Durch die großen Mengen wird die Amortisation von Innovationskosten deutlich einfacher. Zum anderen liegt die Stärke der chinesischen Unternehmen ohnehin im Online-Bereich. Die Strategie für die nächsten Jahre? Investitionen in China und Südost-Asien. Auch in Europa sind verschiedene medizinische Sektoren im vergangenen Jahr stark gewachsen, vor allem Digital Health.
Lokalisierung: China und Europa
Prozesse der internationalen Logistik sind gerade in Zeiten von Corona kompliziert zu managen, die Ausfallrisiken sind hoch und die Preise drastisch gestiegen. Die Pandemie hat schon vorhandene Tendenzen zu einer lokalen Produktion noch einmal befeuert, was sich nebenbei auch positiv auf die Umwelt auswirkt. Ein wesentlicher Faktor vor Ort ist das Personal, denn es versteht die lokale Kultur. Für eine gute Zusammenarbeit sollten Partner-Unternehmen Verständnis sowohl für westliche als auch für östliche Kulturen aufbringen, wie z. B. unser Team in Shanghai.
Ein Know-How der lokalen Gegebenheiten ist gerade für Joint Ventures entscheidend – und chinesische Unternehmen äußern deshalb auch schon ein großes Interesse an M&As mit Europäern. Ein Stichwort für den Erfolg in China ist Annäherung. Die Experten im Panel sind sich einig, dass chinesische Produkte des Premiumsektors sich in Sachen Qualität an europäische Merkmale annähern, da Prozesse und Qualität schnell optimiert werden. Folge dem Meister – aber was kommt danach, wenn man den Meister eingeholt hat?
Abwägung zwischen Standards und Wirtschaft
Das Interesse und die Nachfrage an chinesischen Märkten sind auf allen Seiten gestiegen – sogar oder insbesondere in Zeiten der Krise. Das neue Investitionsabkommen zwischen China und Europa soll künftig den Zugang zu chinesischen Märkten erleichtern. Wie kommt es zum schnelleren Marktzugang in China? Regularien und entsprechende Kontrollmechanismen sind in der EU deutlich strenger und für chinesische Hersteller nicht leicht zu durchschauen. Das trifft insbesondere auf die neuen MDR-Zulassungen zu: Sie dauern lange und sind kostspielig – die Regeln für Medizinprodukte sind vor allem für kleine und mittlere Unternehmen eine Herausforderung.
Durch die aufwändige Vorbereitung bestehender Produkte für die MDR werden schon seit Jahren innovative Projekte in Europa in die Warteschleife geschoben – Innovationsstau. Daher wird Business in China als vorübergehender Ausweg empfunden: Der Weg von der Idee zum Markt ist deutlich kürzer. Für erleichterte Business-Aktivitäten steht auch das Handelsabkommen RCEP zwischen China und einigen Asien-Pazifik-Staaten. Dies dürfte den Status der asiatischen Region weiter stärken: Nach der Pandemie wird nach Wachstumsmöglichkeiten gesucht. Standards für Arbeitsbedingungen und die Umwelt sind nicht festgelegt.
Auf der anderen Seite: EU-Standards, die einerseits Medizintechnik-Innovationen erschweren, andererseits aber für faire Bedingungen sorgen sollen. Muss es ein Entweder/Oder sein? Ein Ausbau der internationalen Zusammenarbeit für fairere Bedingungen überall – mit unseren Standorten in Deutschland und Shanghai tragen wir zu einer Lösung bei.